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AutorenbildAlec Richard

Der WTF-Moment von vor 15 Jahren - Oder: "Alec & der bösblöde Tattergreis"


 





Foto: Church of Scientology



SPOILER: Ich hätte vor 15 Jahren beinahe einem alten Mann in die Fresse geschlagen.


Hab ich schon erwähnt, dass ich religiöse Spinner und ihre dämlichen Kasperlevereine nicht ausstehen kann? Ja? Dann war es wohl noch einmal zu wenig. Ich kann nicht oft genug erwähnen, wie sehr mich diese globale Massenverblödung ankotzt.


Religionen sind wie lästige Telefondienstanbieter, die dir irgendeinen nutzlosen Scheiß aufs Auge drücken wollen, den absolut kein Schwanz braucht. Im Gegensatz zum Telefonvertrag kontrollieren die meisten Menschen aber noch nicht mal, in was für eine Abofalle sie da hinein getappt sind, sondern fressen einfach den Scheiß, den sie von ihren Eltern schön sämig vorgekaut bekommen haben und behaupten allen Ernstes, dieses freierfundene Unterscheidungsmerkmal sei ein Teil ihrer kümmerlichen Identität – ohne überhaupt die leiseste Ahnung zu haben, was für eine gottverdammte Sülze sie da in sich reinfahren. Aber gut, wer’s braucht…?


Neben den drei größten Globalplayern wie Christentum, Judentum und den von mir verhassten Islam, gibt es aber noch zahlreiche andere Nischenanbieter, die sich (leider) recht wacker auf dem Markt der Illusionen halten. Wahrscheinlich, weil sie sich der gleichen abartigen Rattenfänger-Methoden bedienen, wie all die anderen macht- und geldgeilen Arschgeigen.


Nein, ich meine jetzt nicht die nervigen Zeugen Jehovas mit ihren nervigen Klingelstreichen und ihrer wahnsinnigen Papierverschwendung – (Diesen grenzdebilen Tanten ist sowieso nicht mehr zu helfen, aber von ihnen geht auch keine größere Gefahr aus.)


Die Rede ist von einer viel mächtigeren Organisation, die überwiegend im Hintergrund agiert und doch spürbar überall ihre Finger mit im Spiel hat: die Scientology.


Aber nun zur eigentlichen Geschichte: Es muss im Sommer 2007 gewesen sein. Ob der Sommer heiß war, daran kann ich mich nicht mehr erinnern, weil damals noch nicht so viel um den Klimawandel geplärrt wurde wie heute. Ich weiß nur, dass die Sonne schien und im Radio akustische Vergewaltigungen wie Mark Medlock, Monrose oder DJ Ötzi rauf und runter liefen und ich als junger (noch knackiger) Typ mich spätnachmittags auf mein Skateboard schwang und die Absicht hatte einen Freund zu treffen, den ich erst kürzlich auf einem Punkrock-Konzert kennengelernt hatte. Ich glaube, er hatte irgendeinen ganz langweiligen Namen, so wie Dominik oder so.


Nennen wir ihn Dominik. Dominik lebte zusammen mit seiner alleinerziehenden, kettenrauchenden Mutter im fünften Stock eines hässlichen Plattenbaus einer noch viel hässlicheren, hessischen Kleinstadt. Es waren Sommerferien und wir wollten gemeinsam zum nächstgelegenen Skatepark schlendern, dort „Mixery“ aus der Dose schlürfen, Joints rauchen und ein paar Ollies und Kickflips vollführen (die niemand von uns wirklich beherrschte). Aber Dominik spielt in dieser Geschichte eigentlich gar keine Rolle.


Jedenfalls erreichte ich diesen heruntergekommenen Betonklotz, hatte aber natürlich keine Ahnung, wo ich klingeln sollte. Dominik trug einen türkischen Nachnamen, weil sein Erzeuger Türke war, doch beim näheren Hinsehen erkannte ich auf dem Klingelbrett fast ausschließlich türkische Familiennamen. Während ich so grübelte, ob mir Dominik nun Bozkurt, Yilmaz oder Arslan nannte, kam in diesem Moment ein älterer Herr mit einem Stapel bedruckten Papiers in der Hand daher.


Ich schätzte ihn auf Mitte 60, für sein Alter gut gehalten, adrett gekleidet, gebügeltes Hemd und beiges Sonntagshütchen. Es hätte glatt der liebe Opa aus der alten „Werthers Echte“-Werbung sein können.


„Junger Mann! Wohnen Sie hier?“, fragte er mich nett und freundlich.


„Nein, nein, der Herr! Ich besuche nur einen Freund. Kann ich Ihnen irgendwie weiterhelfen?“


„Ja! Vielleicht können Sie mir sagen, wo ich hier die Briefkästen finde?“


„Uff… Ich bin hier auch zum ersten Mal, aber ich vermute mal, die sind irgendwo drinnen im Treppenhaus.“


In diesem Moment kam mir der verflixte Name wieder in den Sinn: „Yilmaz! Das war’s!“, murmelte ich vor mich hin. Also drückte ich auf irgendeins der unzähligen Schildchen auf denen „Yilmaz“ stand und hoffte das richtige erwischt zu haben.

Wenige Sekunden später surrte es, die dicke Glastür ließ sich öffnen und sogleich durchfuhr ein Windstoß mit einem Aromagemisch aus Müll und Pisse meine Riechrezeptoren. Und siehe da: Gegenüber der Fahrstühle haftete ein riesiger Metallkasten an der Wand mit einer Unzahl rostiger, zerbeulter Briefkästen.


„Der Herr, da sind sie!“, rief ich dem unbekannten Greis zu.


„Oh, wie lieb von Ihnen! Das ist sehr nett“, bedankte er sich und drückte mir zum Dank einen seiner Flyer in die Hand.


„Sie als junger Kerl, Sie mögen doch bestimmt Filme, oder etwa nicht?“


„Na klar, ich bin ein regelrechter Filmjunkie!“, gab ich freudig zurück.


„Gut! Dann möchte ich Sie herzlich zu einer kostenlosen Filmvorstellung einladen!“


Gespannt las ich mir den Flyer durch, dessen Gestaltung ganz deutlich durch Microsoft Word-Cliparts und der Schriftart Comic Sans-MS gekennzeichnet war.

Nun… so weit, so gut. Eigentlich ja eine ganz nette Geste, dachte ich, obwohl ich mir schon sicher war, dass er mich bestimmt nicht in den neusten Tarantino-Streifen einladen würde. Doch beim Überfliegen des fragwürdig designten Werbeblättchens stieß ich in der unteren rechten Ecke auf das Kleingedruckte (immer Augen auf!) und las in fettgedruckten Buchstaben: „CHURCH OF SCIENTOLOGY“, was mir im Affekt einen spontanen, ungehemmten Lachanfall bescherte.


Nun runzelten sich die Stirnfalten des alten Mannes, seine Miene verzog sich schlagartig und mit ernster Stimmlage fragte er: „Was gibt es denn da zu lachen, junger Mann?“


„Nichts! Gar nichts, der Herr!“, kicherte ich fortwährend und gab ihm die „Einladung“ dankend ablehnend zurück.


„Wissen Sie, der Herr, jeder kleine Hosenscheißer weiß, dass die Scientology eine gottverfluchte Sekte ist, die niemand braucht!“, fügte ich noch hinzu und war im Begriff mich zu den Fahrstühlen zu begeben.


Urplötzlich packte er mich an der Schulter und erhob seine tiefe, kratzige Stimme: „WISSEN? SIE WISSEN REIN GAR NICHTS!“


„Ach ja? Ich weiß zumindest, dass ihr dämlicher Kult auf den Sagen eines hirnverbrannten und äußerst schlechten Science- Fiction-Autors beruht. Also langweilen Sie bitte jemanden anderes mit ihrem stumpfsinnigen Alien-Gedöns!“, zischte ich und wartete ungeduldig darauf, dass der Lift endlich das Erdgeschoss erreichte.


„LANGWEILEN? SIE HABEN ÜBERHAUPT KEINE AHNUNG, SIE FREVELIGER NICHTSNUTZ! SIE FRESSEN DOCH NUR, WAS IHNEN DIE MASSENMEDIEN VORKAUEN! DIE SCIENTOLOGY IST EINE WOHLTÄTIGE VEREINIGUNG!“


Erneut musste ich mir das Lachen verkneifen, doch um der Situation aus dem Weg zu gehen, antwortete ich bloß mit einem müden: „Ja, sicher…“ und starrte sehnsüchtig auf das gelbe Lämpchen auf dem „Aufzug kommt“ stand.


„WISSEN SIE EIGENTLICH, WOFÜR SICH DIE SCIENTOLOGY ALLES EINSETZT?“


„Was denn so?“, versuchte ich die Wartezeit zu überbrücken.


„WIR BEKÄMPFEN ZUM BEISPIEL DEN HUNGER IN AFRIKA!“


„Kauf ich Ihnen zwar nicht ab, aber wenn dem so sein sollte, dann finde ich es gut!“ – (Irgendwohin müssen ja die Gelder von Tom Cruise wandern.)


„UND WIR SETZEN UNS FÜR DEN GLOBALEN KAMPF GEGEN DROGEN EIN!“, wetterte der aufgebrachte Greis weiter.


„Ach, wissen Sie… Drogen find ich eigentlich ganz gut!“

Nun kippte die Stimmung vollends. Man konnte mitansehen, wie sein faltiges Gesicht vor lauter Wut rot anlief und der Tonfall zunehmend aggressiver wurde.

Endlich kam der Fahrstuhl unten an und ich flüchtete in die von Graffitis, Aufklebern und sonstigen Schmierereien übersäte, 1,20 m² große Transportbox und drückte hastig auf den Knopf, der mich in den fünften Stock katapultieren sollte.


Doch zu früh gefreut. Gerade sollte sich die quietschende Schiebetür automatisch schließen, blockierten ein paar glänzende, lederige Altherrenschuhe die Lichtschranke und hinderten mich somit an der Weiterfahrt.


„DROGEN FINDEN SIE ALSO GUT, JUNGER MANN?“, brüllte der wütende Greis und spuckte mir dabei ein paar Spritzer seines nach Verwesung riechenden Speichels ins Gesicht.


„Äh… ja? Und jetzt lassen Sie mich bitte mit ihrem Scheiß in Ruhe! Ich würde gern nach oben fahren!“


„IHNEN IST NICHT MEHR ZU HELFEN! SIE SIND VON SATAN BESESSEN!“, schrie er lauthals fluchend durch das hallende Treppenhaus und ich befürchtete, dass jeden Moment seine Halsschlagader platzen könnte und ich in einem Blutbad schwimmend zu meinem Kumpel hochdüsen müsste.


„Treten Sie jetzt bitte von der Tür zurück, der Herr!“, erhob ich nun auch meine Stimme, denn allmählich hat’s mir auch gestunken, was nicht nur auf das Müll-Pisse-Aroma zurückzuführen war.


Es kam, wie es kommen musste und es folgte ein wildfuchtelndes Handgemenge. Gewissensbisse taten sich in mir auf. Sollte ich diesem geistig verwirrten Tattergreis wirklich eine runterhauen? Meine rechte Faust ballte sich, doch irgendetwas hinderte mich. Ich hatte eine Ladehemmung.


Ich weiß nicht mehr genau, wie ich es geschafft habe, diese Plage von Halbleiche aus dem Fahrstuhl zu befördern, ob ich ihn tatsächlich geschubst habe. Ich weiß nur, dass er urplötzlich ausrutschte, nach hinten umkippte und auf seinen vier Buchstaben landete, den Block mit Flyern fallenlassend. Das verschwendete Papier wirbelte quer durch die Lüfte (endlich taten Flyer, was ihr Name verspricht) und verteilte sich gravitationsbedingt vor und im Fahrstuhl.


Sichtlich unter Schock stehend starrte mich der Greis ein letztes Mal mit seinen diabolischen Augen an, während die quietschende Metalltür sich langsam ruckelnd schloss und ich freundlich grinsend den am Boden liegenden Greis durch das Fensterglas zuwinkte und ihn mit meinem schönsten Stinkefinger verabschiedete. Der Bann des Bösen war gebrochen.


Oben angekommen berichtete ich dem langhaarigen Skater-Dominik von dem Vorfall, der nur unbekümmert mit den Achseln zuckte und daraufhin antwortete: „Ach egal! Komm, lass zum Skatepark und wir kiffen einen!“


E N D E


© Alec Richard, 2022

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